In der Kerwepredigt berichtet Affolterbachs Kerwepfarrerin Yvonne Jänichen nicht nur von den Verfehlungen der Ortsbürger, sondern würdigt auch Tabea Graichen
„Rekordbesuch“, vermeldete Fördervereinsvorsitzender Jörg Rettig und ist deswegen immer noch richtig baff. Über diesen großen Andrang bei der längsten Kerwe des Überwalds freut sich ebenso der ausrichtende SV Affolterbach. Nach den erfolgreichen Veranstaltungen von Mittwoch- bis Samstagabend strömten die Gäste auch am Sonntag an die Peter-Heckmann-Halle und feierten. Einziger Wermutstropfen: Die B-Liga-Fußballer verloren ihr Kerwe-Spitzenspiel gegen den FSV Rimbach mit 1:2.
Morgens ging es nach dem Gottesdienst gleich weiter mit dem Mittagessen. Das war wie die anderen Veranstaltungen auch so gut besucht, dass der Spießbraten ruckzuck ausverkauft war. Den Nachmittag eröffneten Kerwejugend und Kerwekids mit einem Schautanz, ehe dann Bürgermeister Dr. Sascha Weber das Fass Bier anstach.
Auch viele Geflüchtete aus der Ukraine nahmen an dem Festakt teil, sammelte der SVA doch vor Kurzem Spendengelder für sie ein. Mit dem Benefiz-Kuchenverkauf bei den Heimspielen nahm der Verein 1200 Euro ein und übergab das Geld an die im Dorfgemeinschaftshaus lebenden Menschen, die der SVA in dem Zug auf die Kerwe eingeladen hatte.
Die anschließende Kerweredd gestaltete sich sehr emotional. Es floss so manche Träne, denn Pfarrerin Tabea Graichen wurde dabei verabschiedet. Kerwepfarrerin Yvonne Jänichen, unterstützt von Mundschenkin Lena Hufler, fand die passenden Worte. Zu Beginn ging’s aber um das Thema, das zwei Jahre lang die Kerwefeiern verhinderte: Corona.
Danach setzte Jänichen in bewährter Manier ein paar Sticheleien in Richtung Ortsbürger, denen etwas danebengegangen ist. Etwa die Canasta-Frauen. Spielen können die „wirklich ganz famos, doch Ausflüg mache ist net ihr Ding, der oane ging mächtig in die Hos“. Denn die Fahrt nach Bad Schönborn dauerte viel länger als geplant.
Dass einer vom Schorschebuckel jetzt einen Mehrjahresvorrat an Rasierklingen hat, wusste die Kerwepfarrerin ebenfalls zu berichten. Das komme eben davon, sagte sie schnippisch, wenn man bei einem bekannten Onlinehändler aus Versehen ein Jahresabo abschließt. So lassen sich nun auch die wenigen Haare auf dem Kopf des Betroffenen erklären, da er mit den vielen Klingen wohl nicht nur den Bart abrasiere.
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Das musste ein Vereinsmitglied erfahren, das für 150 Kinder Waffelzutaten kaufen wollte. Da bei der Bestellung aber das Komma falsch gesetzt wurde, könnten nun mit dem Einkauf auf mehrere Jahre hinaus etliche Kinder verköstigt werden. Von etwas anderem zu viel hatte ein samstäglicher Fußball-Schauer in der „Emma“, einer berühmt-berüchtigten Bar. Doof nur, dass der Stuhl nach einigen Getränken so sehr schwankte und der Gast sich beim Sturz vom Barhocker einen dreifachen Rippenbruch zuzog.
Nach vielen weiteren lustigen Verfehlungen der Affolterbacher Bürger kam der offizielle Abschied von Tabea Graichen, zu dem auch zwei Überraschungsgäste anwesend waren und ihre Laudatio hielten. Die beiden ehemaligen Kerwepfarrer Simon Planicka und Laurin Monnheimer sagten Tschüss zu Graichen, die sie in ihrer Zeit begleitet hatte.
„Parrerinnen häwwe mir zwei: Die oar, die bin ich, zumindest an Kerwe. Die anner hat eigentlich frei“, sagte Jänichen und spielte damit auch darauf an, dass Graichen immer für jeden Spaß zu haben war und sich auch weit über die Kerwe hinaus für ihr Affolterbach einbrachte.
„Die Tabea häwwe ma jetzt mal verabschied’ – ich bleib im Becke als letzter Hai“, sagte Jänichen weiter. Das Wehklagen war groß, als die beliebte Geistliche nach 14 Kerwejahren ausschied: „Für alle, die des bisher noch net raffe: Tabea is des ledschde Mol do dabei! Deshalb kommt jetzt noch, was jetzt kommen muss: die Gefühlsduselei.“ Monnheimer ergänzte: „Jetzt kommt der Moment, wo mehrs ausspreche müsse, und mir werds Herz schwer wie Blei. Tabea, alles Gute: Wir wenn dich alle vermisse! Eins der besten Kapitel ist jetzt vorbei.“
Nach so viel Herzschmerz und den einen oder anderen Tränen war am Abend wieder ausgelassene Stimmung angesagt: Harald Walz spielte zum Tanz auf.
Der montägliche Frühschoppen, ebenfalls gut angenommen, ging nahtlos in den „Ausverkauf“ über. „Alles muss raus“ hieß es ab nachmittags zu gesenkten Preisen. tom
Quelle: Odenwälder Zeitung / 31.05.2022 / Bild: Fritz Kopetzky