Es war kein Warm-up nötig: In der Peter-Heckmann-Halle in Affolterbach herrschte beim Auftritt des hessischen Comedy-Duos von der ersten Minute an beste Stimmung.
Zartbesaitet darf man nicht sein, wenn man einen Comedyabend mit Mundstuhl verbringt, erst recht nicht empfindlich oder politisch korrekt. Gendern und Wokeness sollte man auch nicht gut finden. Und Vegetarier werden spätestens bei der Zugabe mit dem Fleischlied gequält. Aber wer dort hingeht, ist ohnehin ein eingefleischter Fan der hessischen Comedians und amüsiert sich über derbe Zoten, Flachwitze und Kalauer am laufenden Band.
Im Wald-Michelbacher Ortsteil Affolterbach war das am Freitag gefühlt jeder. Die Peter-Heckmann-Halle war vollbesetzt. Einige mussten sogar stehen. Da brauchte es kein langes Warm-up, bis Stimmung aufkam: „Die Affolterbacher muss man nicht lange bitten“, sagten die beiden anerkennend. Die Figuren, für die Lars Niedereichholz und Ande Werner berühmt-berüchtigt sind, wurden einer nach dem anderen gefeiert, kaum, dass sie die Bühne betraten. Bei den Schlachtrufen musste auch nicht lange geprobt werden, das Publikum ging sofort lautstark mit. „Die beste Pointe kommt gleich zu Beginn“, versprachen sie deshalb – und die kehrte im Jubiläumsprogramm „Kann Spuren von Nüssen enthalten“ immer wieder, bis sich die Comedians selbst manchmal vor Lachen kaum halten konnten. Auch dafür ist Mundstuhl bekannt, und es wirkt beinahe sympathisch.
Natürlich mit den Kultfiguren
Die verschrobenen Typen, die Niedereichholz und Werner auf der Bühne verkörpern, waren absichtlich als Karikaturen angelegt. Sie kamen alle zu Wort: Der Grillschorsch gehörte wieder dazu, der cholerische Andi sowie die Peace-Aktivisten Malte und Torben von „No Pressure“. Auch die beiden ostdeutschen Hartz-IV-Mütter Peggy und Sandy, die „schlechtesten Zauberer der Welt“: Sickroy und Fried. Die Kultfiguren der „Kanakcomedy“, Dragan und Alder, wurden mit Pfiffen (nur positiv gemeint) und Jubel begrüßt. Mit ihnen hatte Mundstuhl vor 25 Jahren den Durchbruch geschafft, und dieses Kiezdeutsch trug maßgeblich dazu bei, dass Mundstuhl mit dem Echo-Preis ausgezeichnet wurde. Zudem gab es einen Special-Guest-Auftritt von „Dschieses“, der allerdings nur von kurzer Dauer war. Genauso kurz waren die Songs gehalten, wie das „Kai-Pflaume-Lied“.
Die einzelnen Acts bewegten sich weniger auf einen komischen Wendepunkt zu, sondern das Witzige lag oft an den Outfits, die sich die beiden eher notdürftig übergestreift hatten. Da juckte schon mal die Perücke der jungen Mütter aus dem Plattenbau irgendwo im Osten. Da offenbarte Grillschorschs Schürze mehr Bauch, als nötig wäre, während es „Grilling Me Softly“ aus den Lautsprechern tönte. Andi kam erwartungsgemäß mit Sonnenbrille im engen Tarnanzug und bekam, ebenso – von den Fans erhofft – einen cholerischen Daueranfall. Diesmal war es die neue Freundin, die sich bei ihm als „Blauwal im Schleppnetz“ einquartiert und überall Porzellanharlekine aufstellt. Nur als Sickroy und Fried trugen sie einen Hauch von Las-Vegas-Glitzer auf dem Leib, auch wenn die Zaubertricks „für’n Hut“ waren.
Mundstuhl zeigte sich so, wie man sie kennt. Immer blieben die Gags unterhalb der Gürtellinie, oft meilenweit am guten Geschmack vorbei. Aber das, was Mundstuhl unter Satire versteht, darf das. Witze über Minderheiten wurden gemacht. Wenn Gesellschaftskritik (Kinderarbeit, häusliche Gewalt, Inklusion, Affenpocken), dann auf die kurze und brachiale Tour. „Ob man das noch sagen darf?“, war eher eine rhetorische Frage. Tiefschürfende Themen – auch bei ihrem Jubiläumsprogramm war das Fehlanzeige und wäre überraschend. Stattdessen bekamen es die „linksversifften Zeckenzüchter“ ab.
„Auf Händen getragen“
Gelungen war das Stück „Wir waren so arm …“, in dem sich beide gegenseitig auf irrwitzige Steigerungen hochschaukelten. Das Publikum in Affolterbach begrüßte bereitwillig diese spezielle Art von Humor, selbst dann noch, als das Dorf derb mit Spott überzogen wurde, sodass tatsächlich einige im Publikum kurz zusammenzuckten.
Sie feierten Mundstuhl, die sich selbst oft nicht ernst nahmen, sich aber am Ende artig für die tolle Stimmung bei ihrem klatschenden Publikum bedankten – mit ihrer Ode an die Fans, aber nur, „weil das Publikum uns hier auf Händen getragen hat“.
Quelle: Odenwälder Zeitung / Ausgabe: 18.11.2024 / Text: Bettina Arndt / Foto: Fritz Kopetzky